Unsere Gedanken sind bei den Opfern und deren Angehörigen
Am Donnerstag, den 13. Februar, sind – wie schon an den Tagen zuvor – bundesweit zehntausende Beschäftigte des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen in der laufenden Tarifrunde für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne auf die Straße gegangen. In München endete der Warnstreik von knapp 2.000 Kolleg*innen auf brutalste Weise: In das Ende des Demonstrationszuges raste – wie inzwischen bekannt – ein 24-jähriger Afghane mit einem Auto. Er verletzte 36 Menschen zum Teil schwer, darunter auch ein zweijähriges Kind und seine 37-Jährige Mutter, die beide zwei Tage nach dem Anschlag ihren schweren Verletzungen erlegen sind. Frank Werneke sagt: „Wir sind zutiefst erschüttert und fassungslos angesichts des Todes einer Mutter und ihres zweijährigen Kindes, die am ver.di-Demonstrationszug teilgenommen haben. Die Trauer über das Leid der Opfer des Anschlags von München wird so schier unermesslich. Wir trauern mit den Angehörigen und der gesamten Familie, sind in Gedanken bei ihnen und wünschen ihnen so viel Kraft, wie sie nun dringend brauchen.“ Es ist der brutalste Angriff auf eine gewerkschaftliche Veranstaltung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Die Familie der Todesopfer hat ein Statement veröffentlicht, darin heißt es:
„Wir möchten uns zunächst bei denen herzlich bedanken, die aufrichtige Anteilnahme und Solidarität gezeigt haben. Wir bedanken uns bei den Hilfskräften, bei den Pflegekräften, Ärztinnen für die gute Unterstützung, Begleitung und für den emotionalen Beistand. Amel ist in Algerien geboren und ist mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Sie studierte Umweltschutz in Köln und Bingen. Seit 2017 war sie Beschäftigte der Landeshauptstadt München als Ingenieurin. Sie war Projekt- und Sachgebietsleitung. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter Hafsa lebte sie seit 2017 in München. Amel war ein Mensch, der sich für Gerechtigkeit eingesetzt hat. War aktiv für Solidarität, Gleichheit und setzte sich für Arbeitnehmer*innenrechte ein und gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Ihr war es sehr wichtig, ihrer Tochter diese Werte mitzugeben.
Wir möchten bekräftigen, dass der Tod und der Verlust nicht benutzt werden, um Hass zu schüren und ihn politisch zu instrumentalisieren. Wir haben mit dieser Erklärung alles gesagt und möchten eindringlich darum bitten, von Anfragen abzusehen, da die Trauer und der Verlust nun im Vordergrund stehen. Familie und Freunde“
Der Schock über die Nachricht
Die Nachricht von dem Anschlag verbreitete sich schnell auf alle anderen Streik-Demonstrationen im Land, auf denen sofort Trillerpfeifen und Megaphone verstummten. Die Streikzüge zogen schweigend weiter in Gedanken an die Kolleg*innen in München, die Opfer des Angriffs.
Während kurze Zeit nach dem Angriff noch längst nicht geklärt war, ob es sich um einen Anschlag handelte oder nur um einen unglücklichen Unfall, manifestierten sich in den Sozialen Medien bereits viele Gerüchte, unter anderem, dass der Täter längst hätte abgeschoben sein müssen. Dann war davon die Rede, dass der Täter eine Duldung und Arbeitserlaubnis habe, aber auf Instagram seine Tat angekündigt hätte, er ein islamistischer Schläfer gewesen sei. Mittlerweile ist bekannt, dass der 24-Jährige 2016 als 15-jähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen ist, zuletzt als Ladendetektiv gearbeitet und einige Preise als Bodybuilder erhalten hat. Zudem sei er religiös gewesen. Weil er sich vor zwei Jahren einmal zu spät aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet hatte, wurde er zu einem geringfügigen Ordnungsgeld verurteilt.
„Wir sind in tiefer Trauer über den Tod der beiden Schwerverletzten. Besonders grausam ist, dass diese unfassbare Tat zwei so junge Leben gekostet hat“, sagt Claudia Weber, ver.di-Bezirksgeschäftsführerin in München. „Es gibt keine Worte, die diesem Moment gerecht werden können.“ Auch Luise Klemens, die bayerische Landesbezirksleiterin von ver.di sagt: „Wir sind zutiefst erschüttert über diese schreckliche Tat. Dass friedlich demonstrierende Menschen, die für ihre berechtigten Interessen eintreten, Opfer einer Gewalttat werden, macht uns fassungslos.“
„ver.di steht für ein friedliches und solidarisches Miteinander in unserer Gesellschaft“ heißt es in einer Mitteilung des Landesbezirks. Und weiter:
„Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und das Streikrecht sind fundamentale Säulen unserer Demokratie. Dieser Angriff richtet sich damit nicht nur gegen unsere Kolleginnen und Kollegen, sondern gegen unsere demokratischen Grundwerte. Wir lehnen jegliche Meinungsmache und Hetze durch einige Politiker*innen im Rahmen des Wahlkampfs entschieden ab.“
ver.di Bayern
Genau das passierte reflexartig schon wenige Minuten nach den ersten Eilmeldungen. Es meldeten sich diejenigen zu Wort, die den Anschlag instrumentalisieren: für Spaltung, Hass und Hetze - obwohl die Hintergründe der Tat noch immer nicht vollständig aufgeklärt sind. Der ver.di-Vorsitzende sagt: „Natürlich muss darüber diskutiert werden, welche Konsequenzen Verbrechen haben. Natürlich wollen wir Antworten auf die Fragen, wie die Selbstradikalisierung von Tätern über Internetangebote eingedämmt werden kann, wie wir sicher und friedlich zusammenleben können.“
Im Interview mit dem Deutschlandradio stellte Frank Werneke klar, dass das für ihn nicht bedeute, das Recht auf Asyl auszuhebeln und Schutzsuchenden sämtliche Fluchtwege zu versperren. Betroffen von solchen Angriffen seien immer auch Menschen mit Migrationsgeschichte, so wie zuletzt in Magdeburg und Aschaffenburg nun auch in München unter den ver.di-Kolleg*innen. „Wir stehen für ein solidarisches Miteinander, gerade auch in so einer dunklen Stunde.“
Mitgefühl und Solidarität im Vordergrund
Tröstlich sei die überwältigende Welle der Solidarität, die ver.di erreiche, von Schwestergewerkschaften im In- und Ausland, von Politiker*innen, von Arbeitgebern, von Kolleg*innen: „Diese Solidarität eint uns und gibt uns Kraft in diesen schweren Stunden.“
Auch die Verhandlungsführerinnen in der Tarifrunde bei Bund und Kommunen solidarisierten sich unmittelbar nach dem Anschlag mit ihren Beschäftigten. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die für den Bund verhandelt, trat abends noch am Anschlagsort mit Frank Werneke vor die Presse. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) hatte sich in einer Mitteilung direkt an die Teilnehmer*innen der ver.di-Kundgebung gewandt, die zeitgleich mit der Münchener Streikdemo in Gelsenkirchen stattfand: „In solchen Momenten stehen wir zusammen – egal auf welcher Seite wir in den Tarifverhandlungen stehen.“
Und die Verhandlungen werden natürlich fortgesetzt. Frank Werneke betont: „Wir werden uns in den kommenden Tagen und Wochen bei den mit Streiks und gelebter Solidarität verbundenen Demonstrationen und Kundgebungen Raum geben, unserer Münchener Kolleg*innen, den Opfern und ihren Angehörigen zu gedenken und als Gewerkschaftsfamilie einander auch in dieser Zeit beizustehen.“
Spendenaufruf
Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen und ihren Familien, vor allem bei der Familie, die ihr zweijähriges Kind durch den Anschlag verloren hat. Doch Worte allein reichen nicht – jetzt ist konkrete Hilfe, jetzt ist unsere Solidarität gefragt!
Deshalb startet der Verein Gewerkschaften helfen e.V. einen Spendenaufruf. Es geht darum, unseren betroffenen Kolleginnen und Kollegen und ihren Familien unter die Arme zu greifen. Sie brauchen jetzt unsere Unterstützung, um die medizinische Versorgung zu stemmen, den Alltag neu zu organisieren und einfach wieder Mut zu fassen.
Jeder Euro, den wir zusammenbringen, ist ein Zeichen der Solidarität. Es ist ein Zeichen dafür, dass wir füreinander da sind, egal was passiert. Lasst uns den Betroffenen zeigen, dass sie nicht allein sind und dass die Gewerkschaftsfamilie hinter ihnen steht. Wir lassen uns nicht einschüchtern und zeigen, dass unsere Werte stärker sind als Hass und Gewalt.
Spendenkonto:
Gewerkschaften helfen e.V.
IBAN: DE55 2505 0000 0152 0114 90
BIC: NOLADE2HXXX
Stichwort: Opfer Demo München